Montag, 11. Juli 2016
Ihr
Ich sprang. Ihr stand da. Habt zugeschaut. Ich fiel. Ihr habt nichts gemacht. Ich kam den Boden näher. Ihr schaut. Unterhaltet euch. Ich knalle auf. Ihr dreht euch um. Ihr habt es gewusst. Gesehn. Mitbekommen. Nichts getan. Habt es zugelassen.
Immer und immer wieder. Ihr klatscht. Ihr applaudiert. Ihr geht. Lasst mich allein. Es interessiert euch nicht. Wie konntet ihr mich springen lassen?
Ich falle. Ich springe. Immer wieder. Ohne Fallschirm. Ohne Sicherheitsgurt. Ungewollt. Ihr guckt zu. Geht vorbei. Lacht. Es amüsiert euch. Ihr wisst warum ich falle. Ihr geht aber nur weiter. Die ein oder anderen drehen sich nochmal um. Ein Blick über die Schulter. Ein abnicken. Geht weiter. Ihr verlässt mich.
Ich knalle auf. Zerspringe in tausende Einzelteile. Ihr geht.
Ich blute. Ich schreie. Ihr stellt euch blind. Stellt euch stumm. Ich strecke meine Hände aus. Ihr ergreift sie nicht. Ihr wendet euch von mir ab. Ich gehe auf euch zu. Und wieder springe ich. Wieder falle ich. Wieder knalle ich. Doch diesmal immer tiefer. Wieder steht ihr da. Wieder guckt ihr. Macht nichts. Ignoriert meine Hilfeschreie. Danke. Danke…
Ich bleibe liegen. Keine Kraft mehr. Ihr beglotzt mich wie so ein Freak. Wie ein Tier im Zoo. Ihr seid kalt. Ihr guckt zu. Ihr fragt. Ignoriert meine Antworten. Ich schreie.
Nichts. Ihr seid kalt. Ihr seid Mittäter. Ihr alle wisst warum. Ihr alle wisst es!
Niemand hilft mir.
Nein. Nicht nocheinmal. Ich falle. Ich springe. So verdammt tief. Ich knalle auf. Es ist vorbei. Ihr guckt wieder. Sagt wieder nichts. Fragt wieder nach. Aus Höflichkeit. Ich habe schmerzen. Überall. Ich gucke euch an. Ich lächel. Ich schweige. Ihr lächelt zurück. Ihr wendet euch wieder ab. Alle. Ich schreie. Ich flicke meine Einzelteile zusammen. Ich blute wieder. Heftiger wie zuvor. Ich bleibe liegen. Ich kann nicht mehr. Ich gebe auf. Verzweifelt versucht. Bleibe am Boden. Kraft sammeln. Meine Wunden heilen lassen. Ihr entfernt euch immer mehr. Ihr bleibt nicht einmal stehen. Ich schreie. Ich schreie nach euch. Wieder und wieder. Nichts. Ihr stellt euch wieder stumm.
Ich liege in meinen eigenen Blut. Ich leide. Habe Schmerzen. Die Zeit vergeht. Ich reiße mich zusammen. Ich krieche auf allen vieren. Langsam. Mit schmerz verzerrten Gesicht. Ich halte nicht inne. Immer vorwärts. Gott. Tut das weh. Ich blute. Immer noch. Ich bin schwach. Krieche weiter. Langsam erhebe ich mich. Beginne zu gehen. Humpelnd. Kopf gesenkt. Zitternd.
Ich werde stärker. Ich werde schneller. Meine Schritte werden sicherer. Mein Kopf erhebt sich. Ich gehe immer weiter. Ich werde immer schneller. Meine Schritte sind zielsicher. Ich halte inne. Gucke mich um. Ich sehe euch. Ich beachte euch nicht. Atme durch. Renne. Renne euch entgegen. Immer schneller. Mein Atem geht ruhig und gleichmäßig. Ich renne. Ich höre nicht auf. Da eine Klippe. Ihr guckt erstaunt. Ich renne weiter. Mein Gesicht verrät keinerlei Gefühlsregung. Ich gucke euch kalt an. Renne auf die Klippe zu. Ihr schreit auf. Ich ignoriere euch. Renne weiter. Renne ins Leere. Ihr kommt hinter mir her gerannt. Streckt eure Hände aus. Ich falle. Ich mache Saltos in der Luft. Mittelfinger an euch. Ihr wollt doch nur helfen. Jetzt auf einmal. Ich gucke euch an. Ich lasse eure Augen nicht los. Dann. Dann spreize ich meine Flügel. Fange mich auf. Ich rette mich selbst. Knalle diesmal Nicht. Zerfalle diesmal nicht. Ihr applaudiert. Ihr gratuliert mir. Ich drehe mich um. Lasse mich von meinen Flügeln tragen.
Weg von euch.
Hin zu mir selbst.

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